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Nachhaltigkeit im Lebensmittelmarkt

Der Lebensmitteleinzelhandel (LEH) engagiert sich mit verschiedenen Aktivitäten für den Umwelt- und Klimaschutz. Eine ganzheitliche Strategie aber fehlt, viele Bereiche, z.B. Überdüngung und die Umweltauswirkungen durch den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln oder durch die Tierhaltung, werden noch nicht ausreichend berücksichtigt. Dies zeigt ein aktueller Bericht des Umweltbundesamts (UBA).

Produktion und Konsum von Lebensmitteln verursachen massive Umweltbelastungen, sind weltweit gesehen verantwortlich für 60 Prozent des Verlustes an Tier- und Pflanzenarten und für 24 Prozent der Treibhausgasemissionen. Außerdem stehen sie in engem Zusammenhang mit den – teilweise bereits überschrittenen – planetaren Grenzen. Der UBA -Bericht „Nachhaltiger Handel(n)?!“ untersucht die Nachhaltigkeitsinitiativen von neun großen deutschen Lebensmitteleinzelhändlern. Der LEH spielt eine entscheidende Rolle für die Nachhaltigkeit von Lebensmitteln: Er übt einerseits durch sein Angebot an Lebensmitteln einen großen Einfluss auf die Konsumentscheidungen der Verbraucherinnen und Verbraucher aus und ist mitverantwortlich dafür, ihnen eine nachhaltige Ernährung zu ermöglichen. Andererseits nimmt er durch seine Sortimentsgestaltung Einfluss auf die Erzeuger-, Liefer- und Herstellerbetriebe und darauf, welche Lebensmittel produziert werden.

Vor allem mit Bio-, vegetarischen und veganen Lebensmittelangeboten, zum Großteil in Eigenmarken, trägt der LEH demnach dazu bei, Umweltbelastungen im Ernährungsbereich zu reduzieren und unterstützt gleichzeitig Verbraucherinnen und Verbraucher beim nachhaltigeren Konsum. Auch die einheitliche Tierwohl-Kennzeichnung bei einigen Fleischprodukten sowie die Initiative Tierwohl sind ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Darüber hinaus gibt der LEH an, mit zahlreichen Projekten Landwirtinnen und Landwirte zum Beispiel bei der Umstellung auf ökologischen Landbau und durch die Vermarktung von regionalen Produkten zu unterstützen.

Gleichzeitig werden einige wichtige Problemfelder noch gar nicht berücksichtigt oder sie werden auf bestimmte Teilaspekte reduziert. So steht etwa beim Thema Pflanzenschutzmittel der Schutz der Bienen im Vordergrund, die Auswirkungen auf die biologische Vielfalt in der Agrarlandschaft, in Böden und Gewässern werden hingegen nicht thematisiert. Auch das Problem der teils massiven Überdüngung in vielen Gebieten wird nicht erfasst, ebenso wenig wie die Umweltauswirkungen der intensiven Tierhaltung für die Produktion tierischer Lebensmittel. Vergleicht man die Einkaufskriterien der Unternehmen mit den gesetzlichen Vorgaben, zeigt sich außerdem, dass aufgrund des mangelhaften Vollzugs die Umsetzung mancher gesetzlichen Anforderungen nicht immer eingefordert wird (z.B. wird die Angabe über das Fangschiff zur Rückverfolgbarkeit von Fischprodukten nicht flächendeckend gemacht oder trotz des Amputationsverbotes bei Nutztieren werden die Ringelschwänze der Ferkel kupiert).

Generell zeigt die Untersuchung auch, dass einige Aussagen der Konzerne nicht nachvollziehbar oder wenig konsequent sind. So wird zum Beispiel beim Thema Pflanzenschutzmittel suggeriert, dass durch die Unterschreitung der gesetzlich festgelegten Rückstandshöchstgehalte für Lebensmittel die Umwelt entlastet wird, was nicht zwangsläufig der Fall sein muss. Welche Wirkstoffe statt ausgeschlossener Stoffe zum Einsatz kommen, bleibt ebenfalls unklar. Thema Tierwohl: Die vom LEH eingeführte Kennzeichnung ist grundsätzlich begrüßenswert, allerdings gilt sie nur für Schweine und auch nur für verpacktes Frischfleisch, trägt also nicht im wünschenswerten Umfang zur Transparenz für Verbraucherinnen und Verbraucher bei. Auch beim Thema Artenschutz von Meerestieren wird aus Sicht des UBA unklar kommuniziert, denn einige Unternehmen erkennen ausschließlich jene Bestände als gefährdet an, die in der Weltnaturschutzunion IUCN als „vom Aussterben bedroht“ eingestuft sind, nicht aber diejenigen, die als „stark gefährdet“ oder „gefährdet“ gelten. Kein Unternehmen befasst sich mit den Umweltauswirkungen von mit dem Flugzeug transportierten oder im beheizten Treibhaus produzierten Lebensmitteln. Auch wird der Begriff „regional“ sowohl für Produkte aus dem Umland als auch für regionale Spezialitäten verwendet – ungeachtet der Transportwege.

Generell wird aus Sicht des Umweltbundesamts (noch) kein ganzheitlicher Ansatz verfolgt, Verbesserungen aus Umweltsicht werden nur für einzelne Produkte oder Produktgruppen erzielt und diese von anderen Aktivitäten wie zum Beispiel Werbung für nicht nachhaltige Produkte konterkariert. Gefragt ist auch die Politik: Gesetzliche Vorgaben sollten strenger überwacht und Verstöße konsequenter geahndet werden. Außerdem müssen ressortübergreifende Kriterien für nachhaltigen Konsum im Ernährungsbereich entwickelt werden. Handlungsbedarf besteht aus Sicht des UBA auch im Bereich Nachhaltigkeitssiegel, hier müssen Transparenz und Glaubwürdigkeit der verschiedenen Siegel erhöht werden. So könnten zum Beispiel die Ministerien (BMZ , BMEL , BMJV und BMU ) ein gemeinsames Portal für Nachhaltigkeitslabel entwickeln, anstelle verschiedener eigener mit teils unterschiedlichen Aussagen zu den einzelnen Labels.

Hintergrund zur Studie:

Der Bericht untersucht neun Unternehmen (ALDI Nord, ALDI SÜD, EDEKA, Kaufland, Lidl, Netto Marken-Discount (Netto), PENNY, real und REWE), die zusammen einen Umsatzanteil von zwei Drittel am Lebensmitteleinzelhandel in Deutschland ausmachen. Untersucht wurden die Nachhaltigkeitsaktivitäten anhand von neun Aspekten aus dem nationalen Programm für Nachhaltigen Konsum der Bundesregierung, die für eine aus ökologischer Sicht nachhaltige Ernährung relevant sind. Darunter sind zum Beispiel der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und Düngemitteln sowie die Vermarktung von Bio-Lebensmitteln. Die Grundlage bilden unter anderem die öffentlich zugänglichen Meldungen und Berichte der neun Unternehmen bis zum Stichtag 31.05.2019, die für die Untersuchung ausgewertet wurden. Ziel war es, einen Überblick über die vielfältigen Aktivitäten des LEHs zu geben sowie Fortschritte und Defizite zu ermitteln. Der Bericht soll auch als Grundlage für weitere Arbeiten des UBA dienen.

Der Bericht stützt sich im Wesentlichen auf Aussagen und Informationen der Unternehmen selbst. Im nächsten Schritt sollten nun wissenschaftlich abgeleitete Bewertungsmaßstäbe entwickelt werden, die eine objektive Beurteilung und Analyse der Maßnahmen für nachhaltigen Konsum im Ernährungsbereich ermöglichen. Auch die Möglichkeiten, externe Kosten im Ernährungsbereich zu internalisieren, sollten geprüft und diskutiert werden. Das UBA empfiehlt beispielsweise die Abschaffung der Mehrwertsteuerbegünstigung für Fleisch und andere tierische Produkte, die v.a. durch die intensive Tierhaltung hohe Umweltbelastungen aufweisen (z.B. Emissionen von Treibhausgasen und Luftschadstoffen wie Ammoniak, Nitrateinträge ins Grundwasser und Antibiotika-Rückstände im Boden).

 


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